
Wenn man in China zum Arzt geht, geht man ins Krankenhaus. Das ist nicht wie in Deutschland, dass jede Ärztin und jeder Arzt eine eigene Praxis hat, sondern alle Ärzte sammeln sich hier im Krankenhaus. In Großstädten gibt es natürlich Spezialisten mit eigenen großen Praxen, aber normalerweise geht man mit einem Problem ins Krankenhaus.
In Großstädten sind die meisten Krankenhäusern auch sehr modern, aber in so einer kleinen Stadt wie Manzhouli, ist die Erfahrung eine etwas andere.
Ich bin also wegen meine Plantarfasziitis ins Chinesich-Mongolische Krankenhaus in Manzhouli gefahren. Dort habe ich mich unten am Tresen angemeldet, habe die Untersuchungskosten von 2€ bezahlt und wurde zur Abteilung für Orthopädie und Mongolische Medizin geschickt. Dort traf ich dann einen lustigen Arzt, mit mongolischem Akzent, den ich deshalb kaum verstehe, aber der mich dann wieder runter schickte, um ein CT zu machen. Im Nachhinein denke ich mir, dass ich das CT hätte verweigern sollen, da ich ja Schmerzen in der Fußfaszie habe und nicht in den Knochen.
Jedenfalls bin ich dann wieder runter, habe 35€ für das CT bezahlt und bin mit dem Ergebnis (alles in Ordnung) wieder hoch zum Arzt gegangen. Dieser sagt mir dann, dass er mir 14 Sitzungen Massage verschreibt, die insgesamt 120€ kosten sollen. Ich sage, dass ich lieber erstmal nur 7 Sitzungen machen möchte und laufe erneut runter, um 70€ dafür zu bezahlen.
Oben wieder angekommen, werde ich nicht wie erwartet massiert, sondern meine Füße werden mit Manschetten an ein Gerät angeschlossen und für 20 Minuten wird Strom durch sie durch geleitet, was zu einem manchmal angenehmen, manchmal unangenehmen Kribbeln führt. Nach kurzem googlen finde ich heraus, dass es sich dabei um TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation) handelt.
Nach den 20 Minuten setze ich mich wieder vor den Arzt, der mein Füße für weitere 5 Minuten sehr halbherzig und leicht massiert und werde dann nach Haus geschickt.
Am nächsten Tag fahre ich früh wieder ins Krankenhaus und warte mit den anderen Patienten an der Tür zur Abteilung für Orthopädie auf die Ärzte. Der Arzt, der mir am ersten Tag zugeteilt wurde (吉力根 – Jí lì gēn), kommt an, schließt den Raum auf und wir strömen alle rein. Jí lì gēn zieht sich vor uns erstmal sein T-shirt aus, steht kurz oberkörperfrei vor uns, bevor er sich den Arztkittel vom Haken neben der Tür schnappt und überzieht. Da er nichts darunter an hat, sieht man trotzdem seine halbe Brust. Dann setzt er erstmal Wasser auf und macht sich einen Tee.
Ich werde währenddessen von einem anderen Arzt an die Maschine angeschlossen. Die Mullbinde, die die Manschetten an ihrem Platz hält, ist schon lange nicht mehr weiß und wird für jeden neuen Patienten wiederverwendet. Während ich dort liege sehe ich ein Mädchen mit, vermutlich, einem gebrochenen Arm, aber statt eines richtigen Gips, wurde ihr Arm von 3 unterschiedlichen Stücken altem Styropor, das in Stoff gewickelt wurde, stabilisiert und mit mehreren, auch sehr abgenutzt aussehenden, Binden am vorgesehen Platz gehalten.
Nach der TENS-Behandlung setze ich mich wieder vor meinen Arzt für die Massage. Diesmal habe ich allerdings keine Socken an, da es die Tage immer heißer wird und ich zu Sandalen gewechselt bin. Er greift sich den Flachmann, der auf seinem Tisch steht und es sieht so aus als würde er einen Schluck nehmen. In dem Moment frage ich mich, wie er um 8:30 Morgens, vor den Augen seiner Patienten einfach Alkohol trinken kann. Statt allerdings zu schlucken, spuckt und sprüht er damit Alkohol auf meine Füße.
Da ich was so etwas angeht nicht sehr sensibel bin, habe ich innerlich einfach nur gelacht und mich gewundert was der Sinn und Zweck dafür ist. Außerdem habe ich überlegt, was für eine Reaktion das wohl bei Patienten in Deutschland hervorgerufen hätte, hätte das ein Arzt dort gemacht.
Wie mir eine Kollegin hinterher erklärte, ist das in der traditionellen chinesischen Medizin normal. Statt extra ein Spray zu verwenden, wird dadurch der Alkohol gleichmäßig auf die betroffene Stelle verteilt, wo es desinfizierend, wärmend und, wenn der Alkohol zusätzliche Kräutern enthält, heilend wirkt.
Eine sehr interessante und ungewöhnliche Erfahrung.
Im Laufe meines Lebens bin ich auf allerlei merkwürdige Empfehlungen gestoßen – doch eine stach besonders hervor: die Idee, Salatdressing – also eine feine Mischung aus Öl und Essig – nicht etwa mit einer Flasche oder einem Löffel zu verteilen, sondern mit dem eigenen Mund: Man nehme Öl und Essig in den Mund und sprühe es wie ein menschlicher Zerstäuber über den Salat. Ich war gleichermaßen entsetzt und beeindruckt.
Und wenn das Dressing zusätzliche Kräuter enthält, sind heilende Wirkungen und kulinarische Erfahrungen mit inbegriffen! 😂
Die Geschichte mit “… wurde ihr Arm von 3 unterschiedlichen Stücken altem Styropor …” verbuche ich unter “Innovative Recyclingtechnologie”. Why not?